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Nico Gartmann, Sabeth Flath & Hofeigentümerin Doris Braun

Crowdfunding: Ein Traktor für den Riegenhof

Dienstag, 11. August 2020

Nico Gartmann und Sabeth Fladt übernehmen gerade einen Bio-Bauernhof in Baden-Württemberg und finanzierten einen Traktor kurzerhand über die Crowd. Hier teilen sie ihre Geschichte und ihre Erfahrungen mit Schwarmfinanzierung und Hofübernahme.

Von der SoLaWi zum Ökohof

Nachdem wir 2018 wussten, dass wir Eltern werden, erhielten wir durch glücklichen Zufall die Gelegenheit zur Gründung einer solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi) in Potsdam. Wir hatten Zeitdruck und entschieden uns schnell dafür, auf einen Hof in Grube zu ziehen und den Gemüsebau aufzubauen. Bald fiel uns der fehlende Vorlauf mit den Hofeigentümern auf die Füße und wir sahen keine Perspektive mehr für uns. Darum übergaben wir den Betrieb an jemand anderen. Im Frühjahr 2019 entschlossen wir uns, noch einmal neu nach unserem zukünftigen Lebensort zu suchen. Dafür wollten wir uns dieses Mal alle Zeit nehmen, die es für so einen Findungsprozess braucht. Wir sind dann ein knappes Jahr mit Bus und Kleinkind durch ganz Deutschland gereist, haben viele Höfe besichtigt und mit den Bauern und Bäuerinnen gesprochen. Dabei hat sich unsere Vision vom eigenen Hof Stück für Stück konkretisiert und geschärft. Auf den Riegenhof gekommen sind wir dann letztlich über eine Internet-Plattform, auf der Höfe und Hofsuchende inserieren können (www.hof-gesucht-gefunden.de). Das war ganz am Ende unserer Reise, als wir nach einer geplatzten anderen Option bei Stuttgart erst mal gar nicht mehr weiterwussten.

Kuh vom Riegenhof

Das Gesamtpacket muss stimmen

Eigentlich sind wir mit einer ganz anderen Idee losgefahren: Wenig Land, Gemüse- und Blumenanbau, solidarische Landwirtschaft, ganz klein anfangen. Jetzt haben wir knapp 30 Hektar Grünland, eine Mutterkuhherde, einen Hofladen und noch viel mehr. Allerdings war uns während der Suche auch immer klar, dass letzten Endes die Details vor Ort gar nicht so wichtig sind. Das Gesamtpaket sollte stimmen. Nach vielen Besuchen und Gesprächen vor Ort, einem gründlichen Faktencheck und der eingehenden Befragung unseres Bauchgefühls haben wir uns letztlich dafür entschieden, dem Riegenhof eine Chance zu geben. Unsere breit aufgestellten Ausbildungen ergänzen sich gut, weshalb wir uns die Weiterführung und Weiterentwicklung der Landwirtschaft dort zutrauten.

Eine Hofübernahme braucht Zeit

Nun leben und arbeiten wir seit März 2020 hier am Hof. Vorerst als Angestellte, im Frühjahr 2021 wollen wir eine GbR zusammen mit der Hofeigentümerin gründen, voll in die Verantwortung einsteigen und anfangen, aus der stark reduzierten Landwirtschaft einen vielfältigen Vollerwerb zu machen, der mindestens eine Familie ernähren kann. Vor allem die Hofübergabe ist ein intensiver Prozess, der sehr viel mehr Zeit und Energie in Anspruch nimmt, als wir uns vorgestellt hatten. Dazu kommen natürlich die ganz normalen Gründungsvorbereitungen: Recherchen, Finanzpläne, Konzepte... Das alles mit der täglichen landwirtschaftlichen Arbeit und den Bedürfnissen eines Zweijährigen unter einen Hut zu bringen, ist immer wieder herausfordernd. Wahrscheinlich ist es aber auch genau diese intensive Vielfalt, die uns am Hofleben und der Landwirtschaft so reizt. Kein Tag ist wie der andere, weil wir es mit lebendigen Organismen und Systemen zu tun haben. Dieser Lebensstil fordert viel und gibt uns viel zurück - wenn wir es zulassen.

Traktor auf dem Biohof

Crowdfunding: Ein Traktor muss her

Der alte Traktor des Hofes war vor Jahren abgebrannt und seitdem wurde immer eine Maschine vom Nachbarn geliehen. Der ist zwar grundsätzlich für jede Nachbarschaftshilfe zu haben, aber nach sechs Jahren hat er sich dann schon gefragt, ob sich der Hof denn nicht mal langsam wieder einen eigenen Traktor zulegen will...? Da uns Neulingen das unangenehm war, wir aber im ersten „Kennenlernjahr“ noch nicht mit großen Investitionen einsteigen wollten, haben wir kurzerhand Nägel mit Köpfen gemacht und die Crowdfunding-Kampagne angezettelt. Es war eine naheliegende Lösung, die erfolgversprechend war, weil der Hof und wir zusammen ein riesiges Netzwerk haben und viele Menschen kennen, die von dem, was wir da machen (wollen), überzeugt und begeistert sind. Außerdem konnten wir so feststellen, wie groß das Umfeld des Hofes tatsächlich ist, da wir den Hof zukünftig stärker in Richtung gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft entwickeln möchten. Wir finden, dass ein lebendiger Hof ein lebendiges Umfeld braucht.

Aufwand und Nutzen der Schwarmfinanzierung

Bei der Kampagnenerstellung kam uns unsere Vorerfahrung zu Gute. Wir hatten im näheren Umfeld schon ein paar erfolgreiche Crowdfundings miterlebt und hatten eine relativ klare Vorstellung davon, wie das abläuft und was es alles braucht. Zur eigenen Kampagne war es dann nur noch ein kleiner Schritt, zumal uns die Plattform (EcoCrowd) mit allen nötigen Infos versorgt hat. Dennoch brauchten die Vorbereitungen gute zwei Monate. Es war letztlich aber mehr Arbeit, als man sich das so vorstellt. Das meiste haben wir abends nach dem Feierabend erstellt, wenn unser kleiner Sohn im Bett war. Schließlich gelang es uns, von den notwendigen 30.000 € immerhin 25.530 € über unsere Netzwerke einzusammeln. Wir waren überglücklich und begeistert von diesem Zusammenhalt! Von einem Freund, der selbst in einer Landwirtschaft aufgewachsen ist, erhielten wir die Restsumme als langfristiges, zinsfreies Privatdarlehen.

Sabeth Flath und Freundin

Freunde sind wertvolle Multiplikatoren

Wir haben vor allem über unsere privaten Netzwerke, den Hofbrief-Verteiler und Facebook für die Kampagne geworben. Am meisten Resonanz kam über die privaten Verteiler und die Kunden vom Hofladen. Gut vernetzte Verwandte und Freunde sind wertvolle Multiplikatoren. Es lohnt sich also, die eigenen Netzwerke zu pflegen! Das wurde uns noch mal sehr deutlich. Auch während der Kampagnenerstellung kannten wir glücklicherweise viele Menschen, die uns freiwillig mit ihren Kompetenzen unterstützten, so z. B. bei der Erstellung des Films, den wir alleine nie so hinbekommen hätten.

Tipps an Hofübernehmer & Crowdfunder

Ein Unternehmen zu gründen ist mit Sicherheit in keiner Branche ein Zuckerschlecken - einen Hof zu übernehmen ist aber wieder was ganz Besonderes. Dadurch, dass Leben und Arbeit fast untrennbar miteinander verwoben sind und durch die Anwesenheit der Vorgänger-Generation sehr (!) viel Soziales mit reinspielt, fordert die Situation einiges an Geduld und auch eine große Portion Demut ab. Und Feingefühl: Wann ist Durchstarten angesagt, wann Zurückhaltung? Es ist sehr komplex. Durchhaltevermögen ist also angesagt und das würden wir auch anderen Gründer*innen raten: So entspannt wie möglich, aber auch klar und zielstrebig dranbleiben! Auch wenn man manchmal aus der Haut fahren möchte - ein liebevoller Blick aufs Ganze hilft, sich wieder bewusst zu machen, warum man das eigentlich angefangen hat. Wir versuchen, uns regelmäßig mit unseren Kern-Werten und unserer Vision zu verbinden und uns auch gegenseitig daran zu erinnern. Das stärkt den Glauben an uns selbst und daran, dass alles möglich ist und es immer Wege geben wird - woraus dann Mut und Kreativität für den nächsten Schritt entstehen.

Das Crowdfunding war für uns eine wertvolle Erfahrung. Wir durften lernen, dass es da draußen Menschen gibt, die das, was wir verwirklichen möchten unterstützenswert finden. Es erfordert zunächst eine Portion Mut und Überzeugung, sich mit seiner Idee und seinen Werten zu präsentieren. Ein kurzes Video und Fotos können dabei am besten helfen, diese rüberzubringen. Es lohnt sich, damit selbstbewusst raus zu gehen!

Feldarbeit auf dem Ökohof

Wer sich die Kampagne von Nico und Sabeth anschauen möchte, findet sie aktuell noch unter den abgeschlossenen Kampagnen auf EcoCrowd: https://www.ecocrowd.de/projekte/ein-traktor-fuer-den-riegenhof/

Stand: 11.08.2020

Autorinnen: Sabeth Fladt, Linda Pförtner (pfoertner@socialimpact.eu)

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